350 Antifaschist:innen versammelten sich am Samstag in Winterbach zur Gedenkdemonstration anlässlich der 10. Jährung des Nazi-Brandanschlags in Winterbach. Zur Demonstration riefen die Initiative Rems-Murr-Nazifrei! und das Bündnis Zusammen gegen Rechts Rems-Murr auf, welche im Vorfeld verschiedene Mobiaktionen durchführten und hier eine ausführlichere Broschüre zur damaligen Tat veröffentlichten. Als OAT beteiligten wir uns selbstverständlich an der Demonstration.
Frontex, Bullen, Bild-Zeitung – rassistisch ist das System!
Das Erinnern an die rassistische Hetzjagd von damals ist aus unserer Sicht auch die Thematisierung dessen, dass es sich hierbei nicht um eine isolierte Tat durchgeknallter Einzeltäter außerhalb der Gesellschaft handelte. Sondern dass die Faschisten nur rassistische Hetze und Verhältnisse in die Tat umsetzen, wie sie von verschiedenen konservativen und rechtsoffenen gesellschaftlichen Akteuren gehegt und gepflegt werden. Eine ausführlichere Auseinandersetzung damit findet ihr in unserem angehängten Flugblatt weiter unten. Um daran praktisch anzuknüpfen, entfaltete der organisiert auftretende Bereich antifaschistischer Aktivist:innen im vorderen Teil der Demo verschiedene Aktionen, die von Parolen und Durchsagen für die AnwohnerInnen ergänzt wurden.
Bereits zu Beginn der Demo passierte diese das Haus eines AfD-Mitglieds, dass augenscheinlich zuvor bereits mit Farbe markiert wurde. Die AfD ist Fortsetzerin der rassistischen und faschistischen Propaganda der NPD, die zum Zeitpunkt des Brandanschlags im Rems-Murr-Kreis über gefestigte Strukturen und mit der Linde über ein Logistik-, Vernetzungs- und Schießübungszentrum verfügte. In diesem Umfeld verkehrten die Täter der Nacht des 10. Aprils 2011 häufig. Im Unterschied zur NPD hat die AfD noch nicht den durchgehend gesellschaftlichen Ruf, der ihren Taten gerecht wird: Eine Organisation mit Faschisten in Schlüsselpositionen, die rechten Terroristen wie in Halle und Hanau die Zielscheiben für ihre Morde liefert und immer mehr die Zusammenarbeit mit gewalttätigen Faschisten auf der Straße, wie zuletzt in Schorndorf, Chemnitz oder Leipzig sucht. Darum heißt gegen Rassismus zu kämpfen, die AfD zu bekämpfen.
Im Vorhinein wurde bereits am Rathaus eine Plakette angebracht, um an alle Opfer rassistischer Gewalt zu erinnern. Gleichzeitig wollten wir auch ein Zeichen setzen, um die Notwendigkeit uns gegen die Faschisten zu organisieren dauerhaft im Stadtbild zu verankern.
An einer Grünfläche wurden Schilder im Boden befestigt, die die Verstrickungen von Polizei, Militär und Geheimdienst in faschistische Strukturen aufzeigen. Gerne wird für die Bekämpfung des Faschismus auf unseren sogenannten Rechtsstaat verwiesen. Doch dieser Staat und seine Institutionen sind durchsetzt von Rechten. Fälle wie die des NSU 2.0, der Daten aus einem Hessischen Polizeicomputer bezogen hatte, oder des Berliner Staatsanwalts, der jahrelang Rechtsterroristen deckte, zeigen das immer wieder aufs Neue auf. Darum ist für uns klar: der Kampf gegen den Faschismus muss nicht mit, sondern gegen diesen Staat und seine Organe geführt werden.
Im weiteren Verlauf wurden aus der Demo heraus Schilder mit Namen der Opfer rassistischer Morde durch Nazis und in Polizeigewahrsam hochgehalten, untermalt vom Abbrennen mehrerer Rauchtöpfe. Am Ort der Schlusskundgebung angekommen gab es erneut eine kurze Choreographie dazu.
Für uns war es wichtig, trotz oder gerade wegen des Gedenkcharakters der Demo, einen kämpferischen und antikapitalistischen Ausdruck zu haben. Denn die unzähligen rassistischen Morde und Gewalttaten, sowie die Teilnahme der Sicherheitsorgane durch aktive Verstrickung oder passives Verschleiern und Kleinreden macht uns nicht nur traurig, sondern auch wütend. Außerdem wollten wir unsere Kernaussage des Tages mit diesen Aktionen unterstreichen: Rassismus in Deutschland wird von diesem Staat nicht bekämpft. Er geht von ihm aus, denn er ist untrennbarer Bestandteil dieses kapitalistischen Systems. Der erfolgreiche Kampf gegen Rechts kann darum nur im Widerspruch zum Staat, mit anderem Wort militant geführt werden. Diese Haltung führt nicht zwangsläufig zu Abstrichen in der Breite an genauso teilnehmenden Organisationen. Im Gegenteil, die unterschiedliche Verortung der über sieben Redner:innen in verschiedenen Spektren der antifaschistischen Bewegung zeugt davon.
Wenn auch du Interesse an kämpferischen Gedenkaktionen hast oder dich gegen rechte Umtriebe im Rems-Murr-Kreis einbringen willst, dann komm zu unserem Offenen Antifaschistischen Treffen am kommenden Dienstag, dem 13. April um 19 Uhr! Schreib uns dafür einfach eine Nachricht per Mail, Facebook oder Instagram!
Staat und Nazis Hand in Hand – Unsere Antwort Widerstand!
Frontex, Bullen, Bildzeitung:
rassistisch ist das System!
In der Nacht vom 9. auf den 10. April 2011
überfiel eine Nazigruppe neun Migranten
auf einem Gartengrundstück in Winterbach.
Nach Schlägen, Tritten, einer mörderischen
Hetzjagd und einem Brandanschlag konnten
die Betroffenen in letzter Sekunde ihr Leben
retten. Es ist kein Zufall, dass eine Gruppe
Nazis eine solche Hetzjagd im Rems-Murr-
Kreis durchführen konnten. Die Naziszene
konnte bei uns starke Wurzeln schlagen und
zu oft unbehelligt agieren.
Doch woran liegt das?
Und wie kommt es zu Anschlägen, wie dem
in Winterbach? Organisierte Nazigruppen
und deren Gewalttaten können nicht isoliert
von den Grundzügen des über die Gesellschaft
herrschenden Staates betrachtet
werden. Sie stehen nicht außerhalb der Gesellschaft
und haben mehr mit „der Mitte“
gemeinsam, als es die bürgerliche Presse
oder konservative PolitikerInnen darstellen
wollen. Die Verstrickungen von Naziszene,
rechten Netzwerken in Polizei, Bundeswehr
und Justiz zeugen schon lange davon. Es
ist derselbe Rassismus, der in Medien wie
der Bildzeitung propagiert wird, der Nazis
zur Tat schreiten lässt. Damals war es die
Hetze gegen „die Pleitegriechen“, heute ist
es das bewusste Totschweigen der Morde
im Mittelmeer und vor den Zäunen der
EU-Grenzen.
Wo treffen wir auf Rassismus?
Es ist der selbe Rassismus, der tagtäglich
in den Parlamenten verbreitet wird – und
zwar nicht nur von der AfD – und zu rassistischer
Gewalt im Alltag führt. Es ist derselbe
Rassismus der in Zeitungen und Talkshows
verbreitet wird – über Geflüchtete, über
„Shishabars“, über „Ausländerkriminalität“
– der Nazis zur Tat treibt. Es ist der selbe
Rassismus der Europäischen Union und
ihrer Einwanderungspolitik, der Innenminister,
welche sich über Bekämpfung von
„Clankriminalität“ profilieren und rassistische
Polizeigruppen als Einzelfall abtun. Bei
Korruption, Maskenaffairen und Steuerhinterziehung
von Konzernen wird politisch, juristisch
und medial mit einem ganz anderen
Maß gemessen.
Wer profitiert davon?
Dieser Staat braucht Rassismus um zu existieren,
und dieser Staat bringt Rassismus
hervor. Er kann niemals Verbündeter im
Kampf gegen Rechts sein. Der Unwille bei
Polizei und Staatsanwaltschaft, den Winterbach-
Anschlag lückenlos aufzuklären,
bestätigt das auf traurige Weise. Rassismus
hat einen gewaltigen wirtschaftlichen und
politischen Vorteil für die Nutznießer des
Systems, weil mit diesem Hebel die ArbeiterInnenklasse
gespaltet wird. Wer seine
systematische Benachteiligung „den Ausländern“
in die Schuhe schieben kann, wird
das kapitalistische System nicht hinterfragen,
geschweige denn sich gegen es auflehnen.
Denn Schuld ist ja nicht das System
und deren Repräsentanten – der Abteilungsleiter,
der Manager, der Chef – sondern der
Kollege, der Nachbar oder der Passant auf
der Straße, der eine andere Hautfarbe hat
als man selbst oder einen ausländisch klingenden
Namen. Die Kapitalisten wollen mit
die Bewusstseinsbildung in unserer Klasse
verhindern, dass sie mit den KollegInnen in
den Fabriken und Krankenhäusern anderer
Länder einiges mehr verbindet als mit den
Chefetagen des eigenen Betriebs.
Was können wir vor Ort tun?
Gerade in ländlichen Gebieten, wie dem
Rems-Murr-Kreis müssen wir besonders
wachsam sein, denn hier ist unsere Klasse
sowieso schon zersplittert. In Kleinbetrieben
werden vermeintlich „deutsche“ Teile
der Belegschaften gegen vermeintlich ausländische
ausgespielt. In Gemeinderäten
und der Kommunalpolitik wird ein kleinbürgerlicher
und konservativer Wertekanon
gepflegt und gegen jeden gehetzt der nicht
ins Bild des braven, dankbaren Arbeitnehmers
passt. Nicht nur klar faschistischeParteien wie NPD oder AfD prägen dieses
Weltbild, auch bürgerliche Parteien wie die
CDU profitieren von diesem systematischem
Rassismus. Letztere vertreten erkennbar in
Angelegenheiten des Gesundheitsschutz
oder auch Tarifauseinandersetzungen die
Profitinteressen der großen Konzerne und
nicht den Willen der Mehrheit der Menschen
in Deutschland.
Drehen wir also gemeinsam den Spieß um:
Lasst uns organisiert mehr kämpferische
und kreative Aktionen wie heute in Winterbach
gegen Nazis und Rassisten entfalten!
Erteilen wir den profitgierigen Chefetagen
und ihren ewiggestrigen Freunden in der
Politik eine klare Absage ihrer Spaltungsversuche!
Lasst uns gemeinsam Grundsteine
legen für eine lebenswerte Zukunft in
einer Gesellschaft frei von Rassismus, Faschismus
und Kapitalismus!