Stellungnahme zu den Hausdurchsuchungen bei OATRM-Aktivist:innen
Warum diese Stellungnahme?
Am 28.06.2023 stürmte die Polizei die Wohnungen dreier Antifaschist:innen aus dem Rems-Murr-Kreis. Ihnen wird vorgeworfen, eine Sachbeschädigung am AfD-nahen Lokal „Remstalstuben“ begangen zu haben. Gegen die Hausdurchsuchung als solche haben wir uns als OAT bereits positioniert und am selben Tag eine Solidaritätskundgebung in Waiblingen durchgeführt.
Die Kriminalisierung von Antifaschismus ist für uns nichts neues, sondern begleitet uns seit der Aufnahme unserer Aktivitäten. Doch an diesem Fall ist etwas besonders: Im Durchsuchungsbeschluss ging es nicht nur um die beschuldigten Einzelpersonen, es wurde auch eine Verbindung zwischen dem oben genannten Angriff und dem Offenen Antifaschistischen Treffen Rems-Murr herbei konstruiert. Dabei wurden konkret zwei Behauptungen aufgestellt: Erstens habe das OAT sich zur Tat bekannt, zweitens sollen die Beschuldigten zu einem „engeren Kreis“ des OAT gehören.
Zur Klarstellung:
- Das OAT Rems-Murr hat sich nicht zur Tat bekannt. Es lediglich hat einen Beitrag verfasst, in dem ein Artikel aus der Waiblinger Kreiszeitung sowie ein anonymes Bekenner:innenschreiben von Indymedia gespiegelt wurden.
- Die zweite Behauptung wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet: Wie kommt die Polizei darauf, dass die beschuldigten Personen zu einem angeblich vorhandenen „engeren Kreis“ des OAT gehören? OATs sind offene, niedrigschwellige Angebote, antifaschistisch aktiv zu werden: durch Teilnahme an Kundgebungen, Demos, Flyer, Plakatieren und gemeinsamen Diskussionen oder Treffen. Wir organisieren uns dabei bewusst nicht als Gruppe mit feststehenden Mitgliedern, sondern als offenes Treffen, bei dem jede:r hinzustoßen kann, der oder die gegen Rechts aktiv werden will. Was soll mit „engerer Kreis“ gemeint sein, wenn es einen „engeren Kreis“ als solchen gar nicht gibt?
Diese Anschuldigung untermauert vielmehr den eigentlichen Hintergrund der Kriminalisierung: Es ist genau dieses Angebot, diese Form der antifaschistischen Organisierung, die konkret von der Polizei ins Visier genommen und angegriffen wird. Die Polizei verlässt hier den Bereich der Strafverfolgung und handelt als politische Kraft mit dem Ansinnen, selbstorganisierten Antifaschismus nur in symbolischen Ausdrucksformen zu tolerieren.
Warum kommt es zu diesen Kriminalisierungsversuchen?
Derzeit wird eine Häufung und Intensivierung der Repression gegen Antifaschist:innen spürbar, die auch vor anderen (potentiell) fortschrittlichen Bewegungen wie der Letzten Generation nicht Halt macht. Einher geht damit eine härtere Gangart der Repressionsbehörden, was sich nicht zuletzt in zahlreichen Versuchen von Organisationsverboten zeigt. Damit hebelt der Staat seine eigenen Prinzipien aus. Mehr und mehr Gruppen und Strukturen erklärt er zu „kriminellen Vereinigungen“. Einzelne (tatsächlich oder vermeintlich begangene) Straftaten werden so zur Nebensache.
Härtere Gangart gegen links als Reaktion auf den Aufstieg der AfD
Dieses Vorgehen ist erkennbar politisch gewollt und geschieht mit Ansage. Es ist Teil des bundesweiten Rechtsrucks, bei dem die Forderungen der extremen Rechten von etablierten Parteien der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ umgesetzt werden. Die Ankündigungen von Nancy Faeser oder dem sächsischen Innenminister Armin Schuster, die Arbeit zu Linksextremismus weiter intensivieren zu wollen, sind nur zwei augenfällige Beispiele.
Dieser Rechtsruck wirkt im gesamten Staatsapparat, auch in der Exekutive. Die Polizei ist nicht nur ausführender Arm der Legislative, sondern agiert – wie bereits erwähnt – zunehmend als eigener politischer Akteur. So prägen beispielsweise Pressemeldungen der Polizei, die in der Regel 1:1 von Journalisten für die großen Zeitungen übernommen werden, maßgeblich die öffentlichen Debatten zu Polizeieinsätzen. Außerdem schüren Bild, Spiegel & Co. für Umsätze und Klicks rechte Ressentiments, was wiederum die gesellschaftliche Verständigung enthemmt.
Auch im Rems-Murr-Kreis macht sich der Rechtsruck im Staatsdienst bemerkbar, z.B. am neuerlichen Wechsel von Markus Bartsch an die Spitze de Staatsschutzes des Polizeipräsidiums Waiblingen/Aalen. Es wäre falsch zu behaupten, dass ein übereifriger und offensichtlich auf links fokussierter Staatsschutzchef der Grund für die verschärfte Repression wäre – vielmehr ist es so, dass gerade jetzt solche Positionen entsprechend besetzt werden, wo eine härtere Gangart gegen links politisch forciert wird.
Dass diese Leute dabei ab und an über das Ziel hinausschießen und hanebüchene Anschuldigungen in ihre Durchsuchungsbeschlüsse schreiben – wie z.B. die eingangs geschilderten Vorwürfe gegen das OAT – wird in diesem Kontext gerne in Kauf genommen. Aber nicht von uns! Daher werden wir uns gegen diesen Kriminalisierungsversuch juristisch, aber vor allem auch politisch zur Wehr setzen.
Warum müssen wir uns gegen Nazis und die Repression wehren?
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit des Rems-Murr-Kreises: Vor 15 Jahren konnten noch 80-100 Springerstiefel-Nazis in Winnenden eine Gedenkkundgebung zur Bombardierung Dresdens veranstalten, es gab mit der Linde in Weiler eine NPD-Kneipe und Wahlkampfzentrum, NPD-Parteitage in Korb und einen Brandanschlag in Winterbach, an dessen Ende lächerlich niedrige Strafen standen. Dass es all das heute nicht mehr gibt, das liegt nicht an der Polizei – der Staatsschutz hatte damals aktiv daran mitgewirkt, dass das Treiben der Nazis ungestört vonstatten gehen konnte – sondern daran, dass Menschen aufgestanden sind und sich auf mehreren Ebenen gegen Nazis gewehrt haben.
Heute wäre genau das wieder dringendst nötig: Die AfD ist in einem Umfragehoch und gewinnt eine Kommunalwahl nach der anderen, Angriffe auf Geflüchtete häufen sich und die rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete beeinflusst vermehrt auch junge Menschen. Wer hier auf einen Staat hofft, der aus Weimar gelernt hat und willens wäre, seine vielgepriesene Demokratie gegen Rechts zu verteidigen, kann nur enttäuscht werden. Gerade jetzt setzt er seinen Kampf gegen Links voll in Gang und Faschisten setzen ihren „Marsch durch die Institutionen“, gerade in Sicherheitsbehörden, fort. Was es braucht, sind Menschen, die aktiv werden – doch wie geht das? Für sich alleine, auf Social Media oder gemeinsam mit Gleichgesinnten auf der Straße? Für uns ist die maßgeblichste Antwort natürlich letzteres. Und die Art und Weise, wie sich Menschen nicht nur im Rems-Murr-Kreis, sondern in ganz Deutschland antifaschistisch organisieren, lebt eben zu großen Teilen von offenen antifaschistischen Treffen. Und das übrigens mit Erfolg: War der Rems Murr-Kreis noch in einer 2008 erschienenen Regionalstudie als Hort der extremen Rechten bekannt, fällt es der AfD mittlerweile schwer, in unserem Landkreis öffentliche Stammtische abzuhalten.
Wir sehen, dass hier und jetzt ein Testballon gestartet wird: Wenn man es schafft, einige OATs zu kriminalisieren, kann man es bei den restlichen auch versuchen. Deswegen müssen und wollen wir uns wehren und dafür sorgen, dass sich rechtsopportunistische Politiker und übereifrige Staatsbedienstete mit ihren Verleumdungen nicht durchkommen!
Offenes Antifaschistisches Treffen Rems-Murr
01.10.2023